Klabautermann

Liebe Mädchen und Jungen,


habt Ihr schon einmal vom Klabautermann etwas gehört oder gelesen? Oder habt ihr ihn gar schon gesehen? Der kleine Fritz aus dem Ruhrgebiet, der kann euch da von einem tollen Erlebnis aus seinem Urlaub berichten. Doch hören wir dazu erst einmal Fritzchen selbst, was er uns über seine erste große Reise zu berichten hat.

Fritzchens Vorwort zu seiner ersten großen Reise:


"Hallo, ich bin Fritz und will Euch von meinem wahnsinnig tollen Urlaub in Travemünde berichten. Diesen Urlaub an der See werde ich nie - aber wirklich nie - vergessen und Ihr selbst habt jetzt die Möglichkeit, ihn noch einmal mit mir mitzuerleben.

Zuerst wollte ich gar nicht, wie meine Mutter (Marie-Louise) und mein Vater (Peter) es vorhatten, zur See fahren und dort Urlaub machen, lieber wollte ich in die Berge. Wasser gab es da auch genug. Aber nein, für meine Eltern sollte es ja Flachland sein. Und wo ist das Land schon flacher als im Norden? Camping machen wollte mein Vater, so `ne Art Abenteuerurlaub - für mich! Aber ich wurde erst gar nicht gefragt. Der einzige der Abenteuerurlaub wollte, war in Wirklichkeit nur mein Vater. Da habe ich dann doch lieber zu meiner Mutter gehalten. Die wollte in eine Pension oder in ein Hotel.

Eines Abends kamen mal im letzten Frühjahr die Nachbarn zu Besuch und erzählten Geschichten aus ihrem Urlaub. Für mich war es langweilig zuzuhören, diese öden Erwachsenengeschichten, so ging ich gar freiwillig früh ins Bett. Von dort hörte ich sie den ganzen Abend lang lachen. Aber was es da wohl so viel zu lachen gab?

Am anderen Morgen jedenfalls stand fest, daß wir diesen Sommer nach Travemünde fahren und im supergroßen Hotel Maritim unsere Unterkunft finden werden. Und warum das Ganze? Weil die Nachbarn meinen Eltern vorgeschwärmt haben, wie toll es dort ist und was das Maritim doch für ein erstklassiges Strandhotel ist. Ach, meine Eltern sind ja so was von leicht zu beeinflussen - echt unglaublich, echt
naiv - .

Bei den Vorbereitungen für die Reise gab es dann weniger für uns alle zu lachen. Ständig hatten die sich in der "Wolle", was denn mitgenommen werden soll und was nicht.

Meinem Vater war Muttis Bikini zu freizügig und meiner Mutter war Papas Urlaubsbar zu üppig ausgestattet. Den Whiskey mußte er dann doch Zuhause lassen.

Mutti wollte festliche Sachen und Schmuck mitnehmen, für etwaige Theater und Casinoabende und Papi nur seinen alten Jogginganzug, weil er mehr an Sport als an Kultur dachte. So ging das eine ganze Woche lang. Es wurde eingepackt und dann wurde wieder eine Menge ausgepackt und wieder eingepackt und wieder ausgepackt. Nur was ich mithaben wollte, da hat keiner nachgefragt. So sind eben die Erwachsenen, denken nur an sich. Aber ich habe mir schon meinen Geheim-Koffer zurechtgelegt und alles das rein getan, was ich mithaben wollte: ein Fernglas, um die Schiffe, die in weiter Entfernung vorbeifahren, näher betrachten zu können, eine topmoderne lange Badehose (echt schickes Ding, echt geil), meinen Detektiv-Koffer, falls es Diebe im Hotel gibt denen ich aufspüren muß, dazu ein Schweizer Taschenmesser mit vielen Funktionen, um sich aus so einem Hotelzimmer befreien zu können - falls man von einem Dieb darin eingesperrt wird, Micky Mouse-Hefte zum lesen und eine Luftmatratze, damit wollte ich ins Wasser gehen und den Schiffen nachrudern, was ich aber dann doch nicht durfte.

Eines Sonntags war es dann soweit. Meine Eltern waren schon ganz früh am morgen sehr hektisch, packten alle Sachen ins Auto, frühstückten dann schnell mit mir und bald darauf ging es dann auch schon los - und zwar ging eine echt tierisch lange Autofahrt los, und das bei einer Sommerhitze, die in der Mittagszeit eine Temperatur von mindestens 300 C im Schatten aufzuweisen hatte. Im Auto war es zeitweise wohl sogar noch mehr. Alle anderen Urlauber hatten dann auch die Idee sehr früh loszufahren, so daß bereits schon um 10:00 Uhr morgens der erste Stau zu verzeichnen war. Es schien, als wollten alle zur See fahren und niemand in die Berge, denn in dieser Richtung waren meistens die Straßen frei.

Irgendwann nachmittags kamen wir dann in Travemünde an und meine Eltern waren total genervt und geschafft: vom Stau, von der langen Fahrt, von ihren Streitereien und vor allem von meinem ständigen Geknatsche und Gejammere. Jetzt waren sie wirklich urlaubsreif, jetzt konnte es nur noch aufwärts gehen - also die besten Voraussetzungen für einen guten Urlaub.

Und gut sollte er auch werden, vor allen Dingen am letzten Tag. An dem Tag, als wir das ehemalige Segelschulschiff - die Viermastbark - Passat besichtigten. Zuvor war es zwar auch ganz nett, sind wir doch viel am Strand und im Wasser gewesen, haben wir sogar zweimal die Freizeitanlage HANSA-PARK bei Sierksdorf besucht und viel Eis gegessen, auch durfte ich abends länger als sonst wach bleiben, aber im Vergleich zu dem, was dann auf der Passat passierte, war das alles nichts - absolut nichts! Doch dazu später, holen wir jetzt erst einmal tief... tief Luft!
"

Eine ganze Weile hielt Fritzchen nun die Luft an und es dauerte einige Zeit bis er sich an sein Abenteuer wieder erinnerte, wie er und seine Eltern (Marie-Louise und Peter) Urlaub in Travemünde im Hotel Maritim machten.

Wie sie zusammen am Strand Fangen oder Federball spielten und im Wasser wettauchten, wobei er dabei ständig schummelte, indem er einen Schnorchel benutzte; wie sie auf dem Vergnügungsgelände "HANSA-PARK" Looping auf der Achterbahn fuhren und anschließend eine Wildwasserfahrt über reißende Stromschnellen mitmachten, selbst hier die Zeit noch fanden die phantastische Variete-Show "Magic Las Vegas" anzusehen, um dann hinterher in Fleißarbeit Erdbeeren zu pflücken - beim Bauern auf dem Erdbeerfeld. Außerdem wurden die Städte Lübeck, Kiel und Neustadt ausgiebig besucht, dazu Museen sowie ein U-Boot und sonstwelche Sehenswürdigkeiten. Dann gab es auch zweimal am Tag Eis mit Sahne, vormittags und nachmittags und an jedem Tag wurde viel gelacht, weil Papa Peter immer zu lustigen Späßen aufgelegt war und Mama Marie-Louise so herrlich darüber lachen konnte. So vergingen vergnügt die Urlaubstage allmählich dahin.

Im Radio wurde immer wieder der neue norddeutsche Schlager: "Im Norden liegt mein Heimatland" gespielt und alle sangen sie, wenn sie es im Radio hörten, aus voller Kehle und etwas übermütig, ja man kann dazu auch sagen, voller Urlaubslebensfreude, mit:

Im Norden liegt mein Heimatland

Heimatland, Heimatland,
hier spülen uns die Wellen Fische an das Land.
Sagt den Menschen, wo am Strand große bunte Fahnen wehen,
damit sie schon von weitem unser schönes Heimatland sehen.

Heimatland, Heimatland,
selbst Fremden bist du allzu gut bekannt.
dein Name hat über alle Grenzen Sang und Klang,
in den Herzen der Menschen gehst du mit deinem Charme auf Liebesfang.

Heimatland, Heimatland,
Bürger hebt empor zum Zeichen der Freude eure Hand.
Winkt zum Gruße den Reisenden übern Deich,
denn Brüder und Schwestern - hier sind wir alle gleich.

Heimatland, Heimatland,
nette Menschen leben hinter der Waterkant.
Glaubt mir, denen fällt es nicht schwer,
die haben viele Kinder und die lieben sie alle sehr.

Heimatland, Heimatland,
Erholung finden die Reisenden bei uns am Strand.
Oder beim Wandern im Watt am Meer,
denn bei uns läuft die Erholung den Gästen hinterher.

Heimatland, Heimatland,
Bürger gebt euch zur Verbundenheit eure Hand.
Gemeinsam seid ihr stark und noch viel mehr,
denn ihr habt das Watt, die Sonne und das Meer.

Zuletzt, bei einer Segelschau in Travemünde, wo viele große Segler und Fregatten aus aller Herren Länder lagen, besuchten sie auch eine der letzten deutschen Windjammern, die Passat, die 1911 für die Reederei Ferdinand Laeisz in Dienst gestellt wurde und 39 mal das gefürchtete, von starken Winden umtoste, Kap Horn umrundete. Bevor sie ihren Dienst einstellen mußte, umsegelte sie zweimal, im Jahre 1932 und 1948, die Welt. Ihren vorerst letzten Hafen fand die Passat in Lübeck-Travemünde, wo sie nun seit Januar 1960 angedockt ist. Marinekameradschaften, die "Pamir-Passat-Vereinigung", der Verein "Rettet die Passat" und andere Personen und Gesellschaften kümmern sich seither mit hohem Einsatz um die Instandhaltung des Segelschiffes. Nicht zuletzt, damit vielen Menschen die Besichtigung des fahrbaren "Wunder des Meeres" möglich ist.

Viele Leute waren an Bord und bevor Fritz und seine Eltern alles gesehen hatten, war die reguläre Besuchszeit auch schon zu Ende. Alle machten sich auf den Weg von Bord zu gehen. Auch Fritzes Eltern. Nur Fritz selbst nicht.

Unbemerkt konnte er noch tiefer in das Schiff vordringen. Über ihm wurde es schon ruhiger. Er ging noch tiefer und noch tiefer, bis er nichts mehr von den vielen Menschen, die sich oben auf dem Deck bewegten, hörte. Seine Eltern hatten noch gar nicht bemerkt, daß ihr kleiner Fritz fehlte, so sehr waren sie beim "von-Bord-gehen" mit Unterhaltungen und dem Betrachten des Schiffes beschäftigt, .....

...... doch was geschah dann?

Einen Augenblick dachte Fritz noch angestrengt nach, seine Augen und sein Mund schlossen sich, er war sehr konzentriert, keine einzige Bewegung regte sich dabei in seinem Gesicht, dann erinnerte er sich ganz genau was dort unten in einer nur durch einen dunklen Gang zu erreichenden Kajüte geschah, so genau, daß er das Gefühl hatte, das gleiche noch einmal zu erleben! Doch hören wir von ihm selbst:

"Nach dem dunklen Gang in einer großen Kajüte angelangt, knipste ich das Licht an einem an der Wand befestigten Schalter an und schloß die Kajütentüre leise hinter mir zu. Während ich staunend die schönen alten Schiffssouveniers und das viele Gerümpel, was hier so umherlag, betrachtete, spürte ich plötzlich einen kalten Wind in meinem Nacken. Erschrocken drehte ich mich um und sah - Ihr glaubt es kaum - einen echten Schiffsgeist, nicht sehr groß, aber mit einem längeren Bart, der schon sehr ergraut aussah. Auch hatte dieser Schiffsgeist eine Schiffsmütze mit Totenkopf-Emblem auf dem Kopf und trug dazu eine schwarze Augenbinde (wie es früher sicher so manche Piraten um den Kopf hatten, welche auf See im Kampf mit anderen Seeleuten ihr Augenlicht verloren hatten), zudem hatte er ein Holzbein, ja im ganzen sah er auch weniger wie ein Schiffsgeist, als wie ein richtiger echter alter Piratenkapitän aus."

*

"Sag` dem Klabautermann "Guten Tag"!" forderte donnernd der Schiffsgeist mich auf, wobei er mich musternd von der Seite anschaute.

"Gu..uten Tag, Kla..a..bau..autermann...." stammelte ich ängstlich und ein wenig erstaunt. Und nach einer Weile gegenseitigen Betrachtens stieß der alte Klabautermann neugierig hervor: "Wer bist du und wie heißt du?" wobei er seinen Kopf weit zu mir vorbeugte.

"Ich bin Fri..itzchen!" gab ich ganz ängstlich und ganz leise zur Antwort und fuhr dabei erschrocken zurück.

"Fritzchen? Ho ho - Fritzchen, was ist das für ein Name?" fragte amüsiert der Klabautermann und stampfte mit seinem hölzernen Bein auf den ebenso hölzernen Boden der Passat herum.

"Ei..ei..eigentlich heiße ich ja Fritz, aber meine Eltern nennen mich oft Fri..i..itzchen, weil ich so klein bin. Wir machen hier in Travemünde Ur..Ur..Urlaub und besichtigen heute die Pa..a..ssat. U..u..nd we..er bi..ist du..u?" stammelte ich weiter.

"Ich bin der Klabautermann auf diesem Schiff. Verstehst du? Der Klabautermann!" so antwortete er mir recht barsch und dazu noch:

"Weißt du, jedes gute Schiff hat einen Klabautermann. Jedes gute Schiff!" und bei diesen Worten erhob er triumphierend seine rechte Faust in die Höhe, als wollte er dafür gefeiert werden.

Während ich versuchte unauffällig rückwärts zur Tür zu gelangen, fragte ich den Klabautermann verlegen: "Ist Klabautermann denn dein richtiger Name?".

"Nein! Nnnn... nein, Klabautermann nennt man eigentlich nur die gutmütigen Schiffsgeister, die durch lautes Klopfen auf ein Leck im Schiff aufmerksam machen, wo Wasser eindringen könnte oder durch ihr plötzliches Auftauchen und Verschwinden vor der Schiffsmannschaft den baldigen Untergang des Schiffes anzeigen. Ansonsten sind Klabautermänner lustige und immer zu Späßen aufgelegte Gesellen. Kobolde eben!" gab mir der Klabautermann zur Antwort und er grinste dabei so frech, daß ich seine teils schwarzen/teils vergoldeten Zähne sah, wobei aus einem unteren Seitenzahn im Licht ein kleiner Diamant schimmerte.

"Bedeutet denn dein Erscheinen nun, daß die Passat bald untergehen wird?" fragte ich ihn daraufhin noch immer ängstlich, aber diesmal ohne dabei nur im geringsten zu stottern.

"Aber nein, aber nein," beruhigte der Klabautermann mich sofort, "die Passat liegt zur Zeit in Travemünde sicher am Kai, allerdings wäre eine Fahrt im Sturmgebraus nicht ungefährlich. Aber das ist jetzt nicht so wichtig, da sie hier vor Anker bleibt. Viel wichtiger ist, daß du mich in meiner Feierabendruhe gestört hast. Das ist ein Frevel! Weißt du das nicht? Deshalb gehe jetzt wieder von Bord, damit ich meine Ruhe habe!" forderte er mich nun energisch auf und dazu noch: "...denn wenn die Touristen von Bord gehen, habe ich Feierabend, das solltest du wissen. Nur solange ihr Touristen überall neugierig eure Nase reinsteckt, so lange muß ich mich hier unten verstecken." und er fing unruhig mit seinem Holzbein zu staken an. "Weißt du, das ist nicht einfach, selbst in die hintersten Winkel des Schiffes schaut ihr Touristen mit euren großen Augen hinein. Vielleicht hofft ihr ja, ganz unsinnigerweise, noch einen kleinen Schatz zu finden oder irgendwelche wertvolle Andenken. So kommt es, daß ich mir immer wieder ein neues Versteck suchen muß, sogar zwischen Kisten und alten Säcken muß ich klettern, um mich zu verstecken und das ist alles sehr anstrengend. Oft muß ich diese umstellen, damit sie nicht umfallen, wie ich es oft früher auf See machen mußte, damit das Schiff keine Schräglage bekam und es nicht kenterte. Das war immer eine ganz schöne Plackerei und ist es für mich alten Knochen heute noch, ja heute um so mehr."

Und während er weiter erzählte, humpelte er wild und stöhnend in der Kajüte umher, wohl um Mitleid zu erwecken und um auf seine körperlichen Leiden aufmerksam zu machen. "Aber wenn die Touristen von Bord gehen, " so erzählte er weiter "dann habe ich endlich meine Ruhe und kann wieder überall ungestört hingehen. Bis auf heute, bis auf eben, da hast du mich überrascht. Eigentlich dürftest du gar nicht hier sein!" beendete er nun ganz vorwurfsvoll seinen Satz.

Kleinlaut gab ich zu bedenken: "Aber ich wußte ja gar nicht, daß es hier einen Klabautermann an Bord gibt." und weiter fragte ich: "Wie heißt du denn nun wirklich? Oder hast du gar keinen Namen, mit dem man dich rufen kann?"

"Oh doch.... oh doch, ich habe einen Namen. Doch redet man beim Schiffskobold immer nur vom Klabautermann und so ruft man ihn auch. Mein richtiger Name aber ist Captain William Kidd. Merke dir diesen Namen! Captain William Kidd! Ich war einmal ein berühmt-berüchtigter Pirat, der die sieben Weltmeere unsicher machte. Mein Ruf erfüllte die ganze Welt mit Angst und Schrecken!"

Dies flößte mir nun wiederum mächtig Angst ein. Erschrocken fuhr ich zurück, schon in Begriff zu fliehen, doch das nette Lächeln und seine freundlichen Worte: "Hab` keine Angst kleiner Mann, ich tue dir ja nichts!" beruhigten mich schnell wieder.

"Erzähle mir noch mehr von dir!" verlangte ich daraufhin ganz leise und der Klabautermann tat es. Er erzählte mir, warum er ein Klabautermann wurde.

Klabautermann